Das Winterdorf wird jedes Jahr sobald es kalt wird für etwa zwei Monate aufgebaut, was bedeutet, dass Ende Oktober ein lärmendes, teures Holz-Etwas in der Fußgänger steht, was in seiner Plankenkonstruktion jedem Piratenschiff alle Ehre macht. Auf den ersten Blick fällt hauptsächlich auf, dass alles mit Werbung vollgepflastert ist und dass lustige Gestalten in uniformer Pseudo-Tracht Glühwein über den Tresen schleudern.Besagter Glühwein ist a) teuer, b) pappsüss (ich habe den Kinderpunsch vor Zuckerschock-Profilaxe nicht probiert) und c) nach etwa zwei Minuten kalt. Das mag an den hauchzarten Glas-Becherchen liegen... Wichtig ist, das gewünschte Getränk absolut korrekt benennen zu können. Handelsüblicher "Glühwein" heißt laut Bedienung unbedingt "Zimmdd-Zigggn-Glüüüüühwaaain" und muss in möglichst bescheuerter Möchtegern-fränkischer Aussprache geordert werden. Selbstverpflegung mit Getränken ist selbstverständlich streng verboten - für die Holzstände nachvollziehbar, aber Securitymänner, die mit anschwellenden Adern vorbeilaufende Passanten mit Fanta-Dosen gefühlt fast steinigen möchten, sind übertrieben. Unterhaltungen sind auf dem Winterdorf ungern gesehen oder zumindest nicht einkalkuliert- die kleinen Stehtische laden höchstens ein, den Zimmdzigggnnnn-Zuckerwein auf der angeschraubten Werbetafel zu parken. Gerne zeigt sich die anwesende Einwohnerschaft sämtlicher umliegender Dörfer kontaktfreudig und rempelt einen konsequent an, um neue Freundschaften zu knüpfen oder einfach möglichst schnell größere Mengen Glühwein zu verschütten. Als großes Highlight darf ein lokaler Dorf-DJ dann jeden Abend seinen Ipod an den Lautsprecher hängen und die anwesende Meute besinnlich und abwechselnd mit Rihanna, AC/DC und dem Fliegerlied beschallen - möglichst in dieser Reihenfolge und zur großen Freude anwesender zappelnder Dorfmatratzen. Um das ländliche und "urige" Ambiente zu unterstreichen wurden keine Kosten und Mühen gescheut und sämtliche Antiquitätenhändler, Bauernmuseen und Brauereifachgeschäfte im großen Stil geplündert. Der entstandene Einlauf wurde offenbar in einem spontanen Anflug von ländlicher Gemütlichkeit voller Elan an die Decke getackert - das Resultat ist eine bunte Ansammlung von Kaffeemühlen, alten Lederhosen, Querschkommoden und all dem, was man auf einem weihnachtlich Winterdorf nicht so ganz erwarten würde. Das Winterdorf kennt tatsächlich gesetzlich geregelte Öffnungszeiten - spätestens wenn alle anwesenden Studenten den Gegenwert eines Kleinwagens in Glühwein und Feuerzangenbowle vernichtet haben, schließt das malerische Winterdorf seine Pforten, nur untermalt vom leisen Plätschern alkoholisierter Leidender, die dezent in den nächsten Brunnen reihern.Wer also auf das typische Weihnachtsmarkt-Feeling nicht verzichten mag, kommt um diesen großen Spaß nicht herum!